Fünf weibliche Führungskräfte im Gesundheitswesen berichten von ihren Karrierewegen: #2 Irmtraut Gürkan

„An Machtspielen hatte ich kein Interesse“

Irmtraut Gürkan hat sich während ihrer Karriere lieber auf die Sacharbeit konzentriert. Frauen rät die ehemalige Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg heute, mutiger zu sein – und um ihre Karrierechancen zu kämpfen.

Was waren rückblickend die wichtigsten Ereignisse und Entscheidungen in Ihrer beruflichen Karriere?

Die Wahl meines Studiums (Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Sozialpolitik). Diese fußte auf den vielen Diskussionen über die positiven und negativen Seiten des Gesundheitswesens mit meinem Vater, der Chef einer AOK in Nordhessen war.

Meine erste Stelle nach dem Studium habe ich bei der AOK Frankfurt angetreten. Es war ein Schock für mich in einer sehr starren Organisation zu arbeiten. Zugleich sah ich durch die Kontakte mit den Krankenhäusern, dass hier großer Handlungsbedarf, aber auch viel Gestaltungsspielraum bestand. Nach zwei Jahren habe ich eine Aufgabe in der Uniklinik Frankfurt übernommen und war dort 23 Jahre tätig, schließlich als Kaufmännische Direktorin.

Entscheidend für meine Karriereschritte war, dass ich mir mit meinem Mann immer einig war, dass wir beide unsere beruflichen Interessen und Ziele verfolgen und uns dabei gegenseitig unterstützen. Auch als die zwei Töchter kamen, habe ich bis auf die Mutterschutzzeiten nicht pausiert.

Was waren die größten Hindernisse auf dem Weg und wie haben Sie diese überwunden?

Die starre Organisation und Hierarchie in meiner ersten Position konnte ich nicht überwinden. Mir war bewusst, ich muss mich (weg)bewegen. In der Uniklinik Frankfurt habe ich das Desaster der vollständigen Überforderung der Organisation, der zum Teil unqualifizierten Besetzung von Führungspositionen genutzt und mir ein „dickes Fell“ zugelegt. Ich habe mich immer auf die Sachthemen konzentriert und einfach mutig abgearbeitet, was anstand. An Machtspielen hatte ich kein Interesse und dafür auch keine Zeit. Mit zwei kleinen Kindern und dem Anspruch, die anstehenden Aufgaben gut zu erledigen, arbeitet man sehr fokussiert.

Welche persönlichen Stärken haben Ihnen auf dem Weg nach oben geholfen?

Stressresistenz. Begeisterungsfähigkeit. Mut. Ich hatte immer großes Interesse daran, das Universitätsklinikum Frankfurt – und später das Universitätsklinikum Heidelberg – bestmöglich für die Belange der Hochleistungsmedizin aufzustellen. Ich bin begeisterungsfähig, manchmal auch zu schnell, und hatte immer den Mut, Innovationen in der Medizin bestmöglich zu unterstützen. Auch auf die Gefahr hin, dass nicht alles gelingt, was man anpackt.

Was müsste sich Ihrer Ansicht nach in der Arbeitswelt grundsätzlich ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen gelangen?

  • Bessere Angebote zur Kinderbetreuung! Auch heute noch ein totaler Stress, teuer noch dazu. Als unsere Kinder klein waren, hat mein Nettogehalt in den ersten Jahren nicht ausgereicht, die Kinderbetreuung zu Hause zu bezahlen, der Kindergarten (ab 3 Jahren von 8 Uhr bis 12 Uhr, ein Witz für berufstätige Mütter) war völlig unzureichend, Betreuung in der Grundschule ein Fremdwort.
  • Flexible, auf die persönlichen Lebensumstände Rücksicht nehmende Arbeitszeiten. Hier war Corona (Möglichkeiten des Homeoffice) sicher hilfreich.
  • Toleranz, Anerkennen der individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen von Frauen auch von den „Silberrücken“, insbesondere in hierarchieverhafteten Organisationen wie den Krankenhäusern.
  • Mehr Mut der Frauen. Sie müssen sich auch aus Komfortzonen heraustrauen und um ihre Karrierechancen kämpfen.

Was würden Sie definitiv anders machen angesichts Ihrer Erfahrungen?

Mehr Netzwerken! Da können wir Frauen, die wir uns meist auf die zu lösenden Aufgaben konzentrieren, von den Männern noch viel lernen.

 

Irmtraut Gürkan war von 2003 bis 2019 als Kaufmännische Direktorin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Heidelberg tätig. In dieser Zeit wurde sie mehrfach von der Krankenhausszene für ihre Management-Leistungen ausgezeichnet. Zuvor war die Volkswirtin am Universitätsklinikum Frankfurt tätig. Derzeit ist sie in zahlreichen Gremien aktiv, unter anderem als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Charité und als Aufsichtsratsmitglied der RHÖN-KLINIKUM Aktiengesellschaft.

 

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