Wege aus der Personalflucht

Wer Krankenhäuser zu Smart Hospitals weiterentwickelt, erhöht damit auch die Attraktivität als Arbeitgeber. Genderaspekte spielen dabei eine wichtige Rolle.

Von Dr. Anke Diehl, Chief Transformation Officer und Leiterin der Stabsstelle Digitale Transformation der Universitätsmedizin Essen

In den letzten beiden Pandemiejahren wurden die eklatanten Defizite der Digitalisierung im Gesundheitssektor, nicht zuletzt im Krankenhaus, offensichtlich. Eine Vielzahl von Gesetzen inklusive dem Krankenhauszukunftsgesetz versuchte Abhilfe zu schaffen. Gleichzeitig geht der wissenschaftliche und wirtschaftliche Trend immer mehr in Richtung Smart Hospital. Darunter versteht man eine digitalisierte, innovative Krankenhausstruktur mit effizienten, KI-gestützten Prozessen, die das Personal entlastet und mehr Zeit für die empathische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit personalisierter Präzisionsmedizin ermöglicht.

Parallel beobachtet man eine Trendumkehr in der Personalentwicklung: Nachdem zwischen 2010 und 2019 eine 13-prozentige Zunahme von Beschäftigten in deutschen Krankenhäusern zu verzeichnen war, sank die Anzahl bereits innerhalb des ersten Pandemiejahres (2020) um 14,5 Prozent. Laut Statistischem Bundesamt stieg in absoluten Zahlen ausgedrückt die Personalzahl von über einer Million im Jahr 2010 (1.038.000) auf 1.194.000 in 2019 – um Ende des ersten Pandemiejahres (2020) unter den Wert von 2010 auf nur 1.021.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzufallen. Genaue Statistiken bezüglich Kündigungen nach Berufsgruppen oder Geschlecht fehlen. Da innerfamiliäre Versorgungsaspekte in der Pandemie überwiegend von Frauen aufgefangen wurden und diese ohnehin 75 Prozent der gesamten Beschäftigten im Krankenhaus sowie 92 Prozent der Teilzeitkräfte darstellen, ist es wichtig, die Attraktivität des Arbeitsplatzes Krankenhaus gerade für Frauen zu erhöhen.

Smart Hospital bietet hier etliche Ansatzpunkte. Smartes Arbeiten findet in heterogenen, disziplinübergreifenden, interprofessionellen Teams sowie in zunehmendem Maße virtuell und telemedizinisch statt. Welche Kompetenzen und Qualifizierungsbedarfe sind zur erfolgreichen Umsetzung gefragt? Neben Digitalkompetenzen sind veränderte Kommunikations- und Teamkompetenzen sowie die persönliche Bereitschaft, interprofessionell, interdisziplinär und hierarchiefern zu arbeiten, wichtige Fähigkeiten. Das Verhältnis zwischen Ärztinnen/Ärzten auf der einen und Patientinnen/Patienten auf der anderen Seite verändert sich durch eine bessere Patienteninformation, durch Patient Empowerment und Beteiligungsmöglichkeiten. Kommunikationskompetenz, soziale Kompetenz, die Fähigkeit zum Netzwerken und eine veränderte Team und Risikomanagementkompetenz gewinnen dadurch mehr und mehr an Bedeutung. Kompetenzen, die die sozialpsychologische Forschung Frauen als „soft skills“ häufiger attestiert.

Digitalisierung im Smart Hospital ermöglicht eine Flexibilisierung der Arbeit, Umsetzung von standortfernem Arbeiten, neue Arbeitszeitmodelle und dadurch auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So können mit entsprechender technischer Ausstattung (selbstverständlich unter Wahrung des Datenschutzes) beispielsweise Videosprechstunden, standortferne Befundungen von radiologischen Aufnahmen, die Beteiligung an Tumorboards ermöglicht oder Telekonsile erstellt werden. Weitere Beispiele für digital unterstützte Prozesse sind das virtuelle Krankenhaus NRW oder die Überwachung von telemedizinischen Anwendungen. Insbesondere für Beschäftigte in Teilzeit oder auch zum schrittweisen Wiedereinstieg nach Elternzeit können dadurch geeignete Arbeitsplätze angeboten werden.

Zusammenfassend bietet Smart Hospital neben personalisierter Präzisionsmedizin und einer Effizienzsteigerung durch Digitalisierung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Zeit für empathische Medizin sowie gleichzeitig gerade für Frauen eine Perspektive positiver Beteiligung an innovativen Konzepten mit attraktiven Zukunftsperspektiven. Die Nutzung modernster Technologien und oben ausgeführter Implikationen führt dabei direkt zu einer höheren Attraktivität des Krankenhauses als Arbeitgeber. Beim derzeitigen Personalmangel ein wichtiger Faktor.